RÜCKBLICK

DIE BISHERIGEN PREISTRÄGER

Der Internationale Preis des Westfälischen Friedens wird aus Anlass der 350-Jahr-Feier des Westfälischen Friedens im Jahr 1998 erstmals und seitdem alle zwei Jahre im Rathaus von Münster verliehen. An dieser Stelle erhalten Sie nähere Informationen zu den bisherigen Preisträgern.

2020 Alexis Tsipras, Zoran Zaev & Plant-for-the-Planet

Alexis Tsipras und Zoran Zaev

 Die Ministerpräsidenten Griechenlands und Nordmazedoniens, Alexis Tsipras und Zoran Zaev, haben durch ihre Einigung im jahrzehntelangen Konflikt um den Namen Mazedonien ein Kunststück der Diplomatie geschafft und dadurch ganz erheblich zur Stabilität in der gesamten Region des Balkans beigetragen.

Mazedonien hat am 12. Februar 2019 den Staatsnamen in Republik Nordmazedonien geändert. Damit wurde ein über drei Jahrzehnte erbittert geführter Konflikt zwischen den Nachbarn beigelegt, der bislang verhinderte, dass für das heutige Nordmazedonien der Weg in die NATO und die Europäische Union möglich wurde. Die Unterzeichnung des bilateralen Vertrags zwischen Griechenland und Nordmazedonien zur Namensfrage („Prespa-Abkommen“) am 17. Juni 2018 dient nun als Grundlage für die Annäherung an die EU. Griechenland hatte den Landesnamen Mazedonien nicht akzeptiert, da eine Region im Norden des eigenen Landes ebenfalls so heißt.

In beiden Ländern wurde der Vertrag hoch kontrovers und polarisierend diskutiert, dann aber doch erfolgreich zum Abschluss gebracht. Motor hinter der Einigung waren auf beiden Seiten die jeweiligen Premierminister. Der Mazedonier Zoran Zaev und der Grieche Alexis Tsipras schafften mit dem Prespa-Abkommen ein diplomatisches Kunststück, das Signalwirkung für die gesamte Balkanregion haben könnte. Sie zeigten, dass selbst ein als unlösbar geltendes Problem mit dem Willen zum Kompromiss und mit Durchhaltevermögen beseitigt werden kann. Damit trugen die beiden Ministerpräsidenten maßgeblich zu einer Beruhigung in der Region bei.

Beide damaligen Regierungschefs, insbesondere aber der griechische, ordneten ihre persönliche Karriere der politischen Vernunft unter, ohne Rücksicht auf den Verbleib in ihren Ämtern. Ohne diese beiden Staatsmänner hätte es keine Lösung gegeben, der Namensstreit hätte auf lange Sicht kein Ende gefunden und die nachbarschaftliche Fehde hätte die gesamte Balkanregion weiterhin destabilisiert.

Alexis Tsipras, geboren im Jahr 1974, war von 2015 bis 2019 griechischer Ministerpräsident. Er ist Vorsitzender der Partei SYRIZA. Seine Amtszeit als Ministerpräsident war wesentlich geprägt von der griechischen Staatsschuldenkrise.

Zoran Zaev, wie Tsipras 1974 geboren, war vom 31. Mai 2017 bis zum 3. Januar 2020 Ministerpräsident Nordmazedoniens. Um Neuwahlen zu ermöglichen, trat Zaev von seinem Amt zurück. Die Parlamentswahl fand wegen der Coronapandemie erst im Juli 2020 statt. In der Nacht zum 31. August wurde Zaev erneut zum Ministerpräsidenten Nordmazedoniens gewählt. Seit 2013 ist er Vorsitzender der Sozialdemokratischen Liga Mazedoniens.

Felix Finkbeiner und die jungen „Botschafter für Klimagerechtigkeit“ von Plant-for-the-Planet

Plant-for-the-Planet („Pflanzen für den Planeten“) ist eine Kinder- und Jugendinitiative, die im Jahr 2007 von dem damals neunjährigen bayerischen Schüler Felix Finkbeiner mitbegründet wurde. Ein Jahr zuvor hatte eine Gruppe von UN-Mitarbeitern das Projekt ins Leben gerufen, Felix Finkbeiner und sein Vater gründeten im Anschluss eine gleichnamige Stiftung in Deutschland, die dasselbe Ziel verfolgt: bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein Bewusstsein für den Klimawandel und für globale Gerechtigkeit zu schaffen. Den Klimawandel bekämpfen die Schüler aktiv durch Baumpflanzaktionen. So leisten sie einen beispielhaften und konkreten Beitrag im Rahmen der Bewegungen für die Klimaziele in der Welt.

Mittlerweile ist Plant-for-the-Planet zu einer weltweiten Bewegung geworden, der mehr als 91.600 junge „Botschafter für Klimagerechtigkeit“ angehören – das sind Kinder und Jugendliche aus insgesamt 75 Ländern. Jeder im Rahmen der Aktion gepflanzte Baum steht symbolisch für Klimagerechtigkeit. Das große Ziel der Bewegung ist es, weltweit eine Billion – also 1000 Milliarden – neue Bäume zu pflanzen. Damit soll ein erheblicher Teil der von Menschen verursachten CO2-Emissionen gebunden werden. Um die Bemühungen zur weltweiten Renaturierung transparent zu gestalten, nutzt Plant-for-the-Planet seine Internet-Plattform. Via plant-for-the-planet.org wurden seit 2007 insgesamt 29 Millionen Bäume gespendet. Im Rahmen der „Billion Tree Campaign“, die die UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, im Jahr 2011 an die Kinder von Plant-for-the-Planet übertrug, wurden weltweit zwischen Dezember 2006 und 2018 sogar 13,97 Milliarden Bäume gemeldet.

Plant-for-the-Planet bietet Ausbildungsworkshops, sogenannte Akademien, an. Dabei geben Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren ihr Wissen an andere weiter und bilden sie ebenfalls zu „Botschaftern für Klimagerechtigkeit“ aus. Mehr als 1600 Plant-for-the-Planet-Akademien haben bereits stattgefunden. Auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko arbeitet die Organisation an der Wiederherstellung von 20.000 Hektar zerstörten Waldes. Plant-for-the-Planet hat frühzeitig bereits im Jahr 2007 das Thema Klimawandel auf die Agenda gesetzt. Die Jugendorganisation vertritt den Ansatz, durch praktisches Handeln global gleichzeitig einen wirksamen und konstruktiven Beitrag zur Klimadebatte zu leisten.

2018 Die baltischen Staaten & die Pfadfinder

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen

Die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland gehören seit dem 1. Mai 2004 sowohl der Europäischen Union als auch der Nato an. Sie bekennen sich zur Entwicklung und Festigung ihrer Demokratien in Europa. Erinnerungen werden in diesem Zusammenhang wach an die sogenannte „Baltische Kette“, mit der Millionen Bürgerinnen und Bürger Litauens, Lettlands und Estlands 1989 gemeinsam die längste Menschenkette der Geschichte bildeten. Sie demonstrierten für Unabhängigkeit, Freiheit und ihren Weg in die Demokratie im europäischen Verbund.

Fast 30 Jahre danach gelten die baltischen Staaten allgemein als europäische Musterländer. Binnen kürzester Zeit ist es der Bevölkerung gelungen, funktionierende Demokratien zu etablieren, die sich fest zu den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, zu universellen Menschenrechten und zu freier Marktwirtschaft bekennen. Aufgrund dieses vorbildlichen Entwicklungsweges der drei Länder nach der Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit liegt es nahe, sie wegen ihrer besonderen Bemühungen um Integration in Europa zu würdigen und zu stärken. Aus diesem Grund wurden die drei baltischen Staaten mit dem Internationalen Preis des Westfälischen Friedens 2018 ausgezeichnet.

Die Themen „Frieden“ und „Nationale Sicherheit“ bewegen die Bürgerinnen und Bürger in den drei baltischen Ländern seit der Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit zu Beginn der 1990er-Jahre auf besondere Weise. Aufgrund ihrer exponierten Lage als nördliche „Außenposten“ der EU sind Litauen, Lettland und Estland heute nicht frei von einer möglichen Verwundbarkeit. Konfliktszenarien scheinen wieder im Bereich des Denkbaren zu liegen. Da die drei Länder mit einer Gesamtbevölkerung von „nur“ rund sechs Millionen Menschen in jedem Fall militärisch verwundbar wären, steht die dauerhafte Integration in EU und Nato im Fokus der gemeinsamen außenpolitischen Interessen.

Im Jahr der Friedenspreis-Verleihung 2018 jähren sich die Staatsgründungen Estlands und Lettlands sowie die Wiederherstellung des litauischen Staates zum 100. Mal. Heute sind die drei baltischen Staaten fest in das westliche Werte- und Bündnissystem eingebunden. Mit ihren Hauptstädten Tallinn, Riga und Vilnius sind sie aufgrund der kulturellen Vielfalt und der historischen Hintergründe zu „Besuchermagneten“ für viele Europäer geworden. Als Mitglieder der Eurozone weisen die drei Länder eine hohe politische und wirtschaftliche Stabilität auf und haben seit ihrem Beitritt zur Europäischen Union auch alle bereits Verantwortung bei der erfolgreichen Übernahme von EU-Ratspräsidentschaften gezeigt. In der Entwicklung der europäischen Wirtschaft nehmen Litauen, Lettland und Estland bereits Spitzenpositionen ein. So gilt die fortgeschrittene Digitalisierung in Wirtschaft, Verwaltung und im Bildungswesen als beispielhaft in Europa.

Zur Entgegennahme des Friedenspreises kamen die Staatsoberhäupter der drei Länder nach Münster: zwei Präsidentinnen und ein Präsident. Kersti Kaljulaid ist seit Oktober 2016 Staatspräsidentin Estlands, Dalia Grybauskaite amtiert bereits seit Mai 2009 als litauische Staatspräsidentin und Raimonds Vejonis ist seit Juli 2015 Präsident Lettlands.

Ringe Deutscher Pfadfinderinnen und Pfadfinder

Als die weltgrößte Jugendbewegung will das Pfadfinden zu einer friedensorientierten Entwicklung junger Menschen beitragen, damit diese sich als verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger in der Gesellschaft engagieren können. Die Bewegung versteht sich als international und religiös wie auch politisch unabhängig. Sie ist offen für alle. Als wichtigste Prinzipien gelten dabei Demokratie, Gemeinschaft und Teamfähigkeit, gleichberechtigtes Zusammenleben, Toleranz gegenüber anderen, Respekt vor der Umwelt und aktiver Einsatz für den Schutz der Natur. Mit diesen weltweit gemeinsamen Werten baut das Pfadfinden auf den Idealen seines Gründers Lord Robert Baden-Powell auf, denen zufolge alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Glauben oder Besitz – in Frieden miteinander leben können. Aus diesem Grund werden die Pfadfinder, vertreten durch die Ringe deutscher Pfadfinderinnen- und Pfadfinderverbände, mit dem Internationalen Preis des Westfälischen Friedens 2018 ausgezeichnet.

Pfadfinden hat sich seit seiner Gründung 1907 zur größten Jugendbewegung der Welt mit rund 50 Millionen Mitgliedern entwickelt. Das erste Pfadfinderlager führte Baden-Powell, ein britischer General, auf der englischen Insel Brownsea Island durch. Nachdem anfangs die „Abenteuer“ draußen in der Natur klar im Vordergrund standen, wurden über die Jahre in den verschiedenen Altersstufen auch Werte wie Solidarität, Toleranz und Völkerverständigung immer wichtiger. Heute leisten die Pfadfinder durch gelebte Demokratie und internationale Begegnungen einen nachhaltigen Beitrag für den Frieden.

Gründer Lord Robert Baden-Powell sagte einst: „Eine Schwierigkeit hört auf, eine solche zu sein, sobald ihr darüber lächelt und sie in Angriff nehmt.“ Die Herausforderung, Frieden auf der Welt zu schaffen, besteht für die Pfadfinder folglich darin, dauerhaft dafür zu arbeiten und das Ziel trotz aller Hindernisse nicht aus den Augen zu verlieren. Beispielhaft hierfür verteilen Pfadfinderinnen und Pfadfinder seit über 20 Jahren in der Adventszeit das Friedenslicht aus Bethlehem an „alle Menschen guten Willens“.

In Deutschland bündeln die Ringe deutscher Pfadfinderinnen- und Pfadfinderverbände die gemeinsamen Interessen ihrer Mitgliedsverbände mit rund 220.000 Mitgliedern. Dem „weiblichen“ Ring gehören die Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG), der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) und der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) an. Zum „männlichen“ Ring zählen die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), der VCP und der BdP. Eingebettet sind die deutschen Ringe in die Strukturen der beiden Weltorganisationen – World Association of Girl Guides and Girl Scouts und World Organization of the Scout Movement.

2016 König Abdullah II & Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

S.M. König Abdullah II ibn Al Hussein

S.M. König Abdullah II ibn Al Hussein ist seit Februar 1999 König von Jordanien. Ähnlich seinem Vater, König Hussein ibn Talal, genießt er heute in der arabischen wie auch der westlichen Welt hohes Ansehen als Vermittler bei verschiedenen Konflikten. Im sogenannten Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern kommt dem Haschemitischen Königreich Jordanien, in dem zahlreiche Palästinenser leben, eine zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, eine gerechte Friedenslösung zu entwickeln. König Abdullah vertritt dabei entschieden die Position, dass  Sicherheit und Frieden in der nahöstlichen Region ganz wesentlich gegenseitigen Willen zur Koexistenz und zum Zusammenleben zur Voraussetzung haben. König Abdullah befürchtet, dass die bereits bestehenden kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten auch Israel und Palästina erfassen und die gesamte Region damit in einen bisher nie dagewesenen Krieg stürzen könnten, falls nicht bald eine für alle Seiten tragbare Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern gefunden wird. In seinem Buch „Die letzte Chance – Mein Kampf für Frieden im Nahen Osten“ kritisiert König Abdullah auch Bestrebungen, die einen weiteren Waffengang gegen den Iran fordern. Für ihn ist „ein gerechter und dauerhafter Frieden eine der stärksten Waffen gegen Extremismus“.

Er plädiert aber auch für ein gemeinsames – nahöstliches wie westliches – Vorgehen gegen den aktuellen religiösen Fanatismus, mit dem der sogenannte „Islamische Staat“ ganze Regionen in Syrien und dem Irak überzieht und dem Ansehen eines moderaten und modernen Islam schweren Schaden zufügt. Herausragendes leistet das Haschemitische Königreich Jordanien als vergleichsweise kleiner Staat in der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen. Waren es zuerst die Palästinenser, die nach 1948 und 1967 hier Zuflucht suchten, kamen Hunderttausende nach dem letzten Irakkrieg, und nun werden seit 2011 über 1,5 Millionen Syrer versorgt. Jordanien, das eines der wasserärmsten Länder der Welt ist, steht damit vor enormen Herausforderungen in den kommenden Jahren. Diese zu meistern und auch die Stabilität Jordaniens zu sichern, bedarf der Unterstützung all derer, die Interesse an einer Befriedung der gesamten Region haben.

König Abdullah ist selbst westlich geprägt: Er wurde an der südenglischen Militärakademie Sandhurst ausgebildet, ging in die britische Armee und studierte internationale Politik in Oxford und an der Georgetown-Universität in Washington D.C. Anschließend kehrte er als Berufsoffizier nach Jordanien zurück. Dort setzte er seine militärische Karriere fort, wurde 1994 zum Befehlshaber und schließlich 1998 zum Generalmajor befördert. 1993 heiratete er die Palästinenserin Rania Faisal Yasin, die während des Zweiten Golfkrieges aus Kuwait geflohen war. Bekannt ist Königin Rania unter anderem wegen ihres weltweiten Einsatzes für Frieden, Bildung und Toleranz. Sie verkörpert damit auch ein modernes Frauenbild in einem liberalen und weltoffenen Islam, wofür sie sich besonders einsetzt.

König Abdullah strebt die Öffnung seines Landes für ausländische Investoren an. Dazu zählen Projekte im Infrastruktur- und Energiesektor – beispielsweise Windfarmen, Solarprojekte, Wasseraufbereitung und Elektrizitätserzeugung. Neue Gesetze sorgen dabei für Transparenz und die Sicherung von Qualitätsstandards. Im Zuge des „arabischen Frühlings“ kam es auch in Jordanien zu Demonstrationen, die jedoch vergleichsweise friedlich verliefen und nicht gegen die Person des Königs gerichtet waren. Das Königshaus reagierte schnell, zeigte Verständnis und reagierte besonnen, um die Situation zu entspannen: So wurden beispielsweise die Löhne im öffentlichen Sektor erhöht. Im Zuge sogenannter „Reformen von oben“ wurde ein Verfassungsgericht eingesetzt und ein neues Wahl- und Parteiengesetz eingeführt.

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) ist eine deutsche Organisation der Friedensbewegung. Sie wurde 1958 auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland unter maßgeblicher Mitwirkung von Lothar Kreyssig gegründet. Die ASF ist besonders durch ein internationales Freiwilligenprogramm und die Organisation von Workcamps in West- und Osteuropa bekannt.

Für junge Männer und Frauen bietet die ASF langfristige, zwölf- bis 15-monatige internationale Friedensdienste an. Dabei begleiten die jugendlichen Freiwilligen ältere Menschen (zum Beispiel in jüdischen Institutionen und Organisationen für Schoa-Überlebende) und sie unterstützen sozial Benachteiligte (etwa Flüchtlinge und Wohnungslose) sowie Menschen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen. Zudem engagieren sie sich in antirassistischen Initiativen oder Projekten der historisch-politischen Bildung.

Zurzeit sind etwa 180 Freiwillige in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Israel, in den Niederlanden, in Norwegen, Polen, Russland, in der Tschechischen Republik, der Ukraine, in den USA und in Weißrussland tätig. Die große Mehrheit der Freiwilligen kommt aus Deutschland. Die meisten Teilnehmer sind zwischen 18 und 30 Jahre alt.

Das zweite wichtige Angebot der ASF ist die Organisation von Workcamps. Dabei ist es das Ziel, die Auseinandersetzung insbesondere junger Deutscher mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen zu fördern: durch Dialog und in der direkten Begegnung mit Menschen unterschiedlichster Herkunft.
Drei internationale Begegnungsstätten sind eng mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste verbunden: In der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim/Auschwitz (Polen), im Beit Ben Yehuda – Haus Pax (Israel) und im Foyer le Pont (Frankreich) finden regelmäßig Veranstaltungen statt. Einzel- und Gruppenreisende erhalten dort Übernachtungs- und Bildungsangebote.

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen ist für die Organisation Verpflichtung für konkretes Handeln in der Gegenwart. Die ASF will so für die heutigen Folgen der Geschichte sensibilisieren und aktuellen Formen von Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung von Minderheiten entgegentreten.

Bekannte ehemalige ASF-Freiwillige sind der SPD-Politiker Thomas Oppermann und der Kolumnist Harald Martenstein. Ausgezeichnet wurde die Organisation unter anderem mit der Buber-Rosenzweig-Medaille (1993), dem Marion-Samuel-Preis (2001) und dem Hans-Ehrenberg-Preis (2006).

2014 International Space Station & Jugendarbeit der Kriegsgräberfürsorge

Besatzungen der International Space Station

Männer und Frauen, die noch zur Zeit des Kalten Krieges in verfeindeten Blöcken lebten, arbeiten und leben heute ganz selbstverständlich zusammen auf engstem Raum: 400 Kilometer hoch über der Erde, in der Internationalen Raumstation „International Space Station“ (ISS).

Die ISS gilt als das größte Technologieprojekt aller Zeiten und ist ein Gemeinschaftswerk der US-amerikanischen NASA, der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, der europäischen Weltraumagentur ESA sowie der Raumfahrtagenturen Kanadas und Japans. Der Erfolg dieses „Außenpostens der Menschheit“ im All belegt, dass eine friedliche internationale Zusammenarbeit von Partnern unterschiedlichster Kulturen möglich ist.

1993 unterzeichneten Russland und die USA ein Abkommen über zehn Shuttle-Flüge zur russischen Raumstation Mir sowie über Langzeitaufenthalte einiger US-Astronauten. Unter Präsident Clinton wurde dann das Projekt einer großen Raumstation zusammen mit Russland neu aufgelegt – Russland steuerte die Pläne der geplanten Mir-2-Station bei.

Die ISS ist seit November 2000 permanent besetzt. Die ersten zwölf Expeditionen bestanden ausschließlich aus russischen und US-amerikanischen Raumfahrern. Der Deutsche Thomas Reiter wurde im Juli 2006 als erster ESA-Raumfahrer zu einem Langzeitaufenthalt auf die ISS gebracht.

Im Januar 2013 unterzeichnete US-Präsident Obama ein Gesetz über eine Verlängerung der Zusammenarbeit mit Russland im Weltraum bis 2020. Damit ist dauerhaft gesichert, dass die ehemals verfeindeten Supermächte auch weiter partnerschaftlich und im wahrsten Sinne des Wortes eng miteinander kooperieren.

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge – Jugendarbeit

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. erhält und betreut Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft im Ausland. Als einziger Kriegsgräberdienst weltweit betreibt der Volksbund eine eigene Jugendarbeit sowie eigene Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten.

Der Volksbund nimmt die Kriegsgräberfürsorge zwar im Auftrag der Bundesregierung wahr, finanziert seine Arbeit jedoch weitgehend selbst durch die Spenden seiner Mitglieder und Förderer. Die Erstattungen des Bundes decken lediglich etwa 25 Prozent der notwendigen Finanzmittel.

Kriegsgräberstätten sind unter besonderem rechtlichen Schutz stehende, auf unbegrenzte Dauer angelegte Friedhöfe, die die Lebenden eindringlich zum Frieden mahnen. Sie sind Orte individueller Trauer und kollektiven Gedenkens, aber auch Orte internationaler Begegnung und Lernorte der Geschichte.

Im Sinne dieser Überzeugung kommen in den Workcamps, Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten des Volksbundes jedes Jahr Tausende junger Menschen aus ganz Europa zusammen. Die Einrichtungen befinden sich in Ysselsteyn (NL), in Lommel (B), in Niederbronn (F) und auf der Insel Usedom (D). Da alle Begegnungsstätten in direkter Nachbarschaft deutscher Kriegsgräberstätten liegen, bieten sie den Teilnehmern eine einmalige Form der Geschichtsvermittlung.

Die Zusammenkünfte der jungen Europäer tragen dazu bei, durch die Begegnung mit der Bevölkerung des Gastlandes gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und Vorurteile abzubauen. So leisten sie einen aktiven Beitrag zur internationalen Verständigung.

Lokale Beteiligungsmöglichkeiten bieten die Jugendarbeitskreise. Gemeinsam engagieren sich die jungen Menschen bei Pflegeeinsätzen auf regionalen Kriegsgräberstätten, in Diskussionsrunden und Zeitzeugengesprächen, aber auch auf Sportveranstaltungen.

Das Leitwort der Jugendarbeit bringt ihre Einzigartigkeit auf den Punkt: „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden“.

2012 Helmut Schmidt & Children for a better World

Helmut Schmidt

Helmut Schmidt war von 1974 bis 1982 fünfter deutscher Bundeskanzler, zuvor bekleidete er unter anderem die Ämter des Bundesverteidigungs- und des Bundesfinanzministers. Heute, im Alter von 93 Jahren, gilt der „Elder Statesman“ als einer der beliebtesten und geachtetsten Deutschen, dem national wie international Respekt und Anerkennung entgegengebracht werden.

Schmidt wurde 1918 in Hamburg geboren. Geprägt von seinen Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg, betrachtete er die Befreiung der Deutschen vom Nationalsozialismus als Auftrag. Bereits ab 1945 engagierte er sich in der Sozialdemokratie. Popularität und hohes Ansehen erlangte Schmidt 1962 als junger Innensenator während der Flutkatastrophe in Hamburg. Auch seine Amtszeit als Bundeskanzler prägten große Herausforderungen: die weltweite Wirtschaftsrezession und die Ölkrisen in den 1970er-Jahren sowie insbesondere der Terror der RAF.

Während des sogenannten „Deutschen Herbstes“ profilierte sich Schmidt als mutiger Krisenmanager. Seine auch in der Nachrüstungsfrage konsequente Haltung und der Einsatz für den Nato-Doppelbeschluss trugen mit dazu bei, dass der Kalte Krieg seinem Ende entgegenging.

Verdienste erwarb sich Helmut Schmidt vor allem als Architekt eines friedlich geeinten Europa. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing - der 2006 bereits mit dem Preis des Westfälischen Friedens geehrt wurde - stellte er wichtige Weichen auf dem Weg zur europäischen Integration. So wurde kurz nach seiner Amtsübernahme als Bundeskanzler der Europäische Rat etabliert. Gemeinsam mit Giscard d'Estaing initiierte Schmidt auch die Einführung des Europäischen Währungssystems und der Europäischen Währungseinheit ECU im Jahr 1979. Daraus gingen später die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion sowie der Euro hervor. Zusammen mit Giscard d'Estaing rief Schmidt außerdem 1975 den Weltwirtschaftsgipfel ins Leben.

Auch Jahrzehnte nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik hält Schmidt weiter leidenschaftliche Plädoyers für Europa. „Das gemeinsame öffentliche Wohl der europäischen Nationen muss die Maxime unseres eigenen Handelns sein“, erklärte er 2011.

Children for a better World e.V.

Children for a better World e.V. ist eine Organisation mit Sitz in München, die 1994 gegründet wurde und weltweit Kinderhilfsprojekte fördert. Der Leitgedanke lautet: „Mit Kindern. Für Kinder!“ Seit der Gründung wurde so besonders Wert darauf gelegt, Kinder direkt in die Arbeit mit einzubeziehen. Fester Bestandteil der Organisation sind Kinderbeiräte, in denen Kinder und Jugendliche über die Vergabe von Fördermitteln entscheiden.

Anliegen von Children for a better World e.V. ist es, Kindern und Jugendlichen in aller Welt zu helfen, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern und Notsituationen zu überwinden. Jugendliche aus Deutschland werden durch die Arbeit des Vereins darin gefördert, sich für andere Kinder einzusetzen. Der Verein wurde von rund 30 Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft gegründet. Mit bisher 25 Millionen Euro an Spenden konnten weltweit mehr als 1.200 Projekte gefördert werden.

Die Arbeit erstreckt sich auf verschiedene Bereiche: Um das Engagement von Jugendlichen in Deutschland zu fördern, startete 1999 das Projekt „JUGEND HILFT!“ - ein Förderwettbewerb, der das soziale Engagement Jugendlicher unterstützt. 2004 wurde das Projekt „Hunger in Deutschland“ ins Leben gerufen. Es unterstützt 50 Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten, dabei liegt der Schwerpunkt auf der Finanzierung von Mittagessen. Einmalig oder auch regelmäßig leistet Children for a better World e.V. finanzielle Unterstützung für weltweite Kinderhilfsprojekte. Die Auslandsprojekte werden ehrenamtlich von Vereinsmitgliedern begleitet, die Spenden sammeln und die Projekte vor Ort langfristig betreuen - in Indien, China, Vietnam und Guinea.

2010 Daniel Barenboim & West-Eastern Divan-Orchestra

Daniel Barenboim

Vielfältige Bemühungen um Annäherung und Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern, unermüdliches Engagement für Völkerverständigung und Dialog im Nahen Osten - dieses Lebensziel verfolgt Daniel Barenboim. Der Dirigent und Pianist setzt dabei weniger auf die Macht des Wortes am Redner-, sondern im Zusammenspiel mit dem von ihm gegründeten West-Eastern Divan-Orchester am Dirigentenpult auf die Macht der Musik. Eine Kulturinitiative, die gleichwohl hochpolitisch ist und getragen wird von der Vision einer Annäherung und eines friedlichen Zusammenlebens verfeindeter Volksgruppen.

Barenboim ist ein wahrer Kosmopolit. Er wurde am 15. November 1942 in Argentinien geboren und hat die argentinische, israelische und spanische Staatsbürgerschaft ebenso wie einen Pass der palästinensischen Autonomiebehörde. Er trat zuerst als vielbeachteter Pianist in die Öffentlichkeit, doch weltweite Prominenz erlangte Barenboim als Dirigent. Seine Auftritte und Aufnahmen haben maßgeblich dazu beigetragen, klassische Musik einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Barenboim ist ein politischer Künstler, der seine Kunst auch nutzt, um sich aktiv für die Annäherung und Versöhnung der Bevölkerungen in Israel und Palästina einzusetzen. Dabei bricht er auch diverse Tabus: So dirigierte er das erste Wagner-Konzert, das nach dem Krieg auf einer israelischen Bühne gespielt wurde, was eine große Debatte in der israelischen Öffentlichkeit auslöste.

Am 16. April 2009 trat Daniel Barenboim zum ersten Mal in Ägypten auf. Im Opernhaus in Kairo dirigierte er das Cairo Symphony Orchestra, auf dem Programm stand die 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Sein Auftritt war im Vorfeld aus politischen Gründen heftig umstritten. Mit diesen Provokationen möchte Barenboim zeigen, dass Musik die Menschen über Grenzen, Religionen und Nationen hinweg verbindet.

Zwischen Februar und April 2006 hielt Barenboim zudem an verschiedenen Orten (London, Chicago, Berlin, Ost-Jerusalem und West-Jerusalem) für die BBC-Reihe der „Reith-Lectures“ Vorträge, die aufzeigen sollten, „dass Musik im Zentrum dessen steht, was wir als menschlich bezeichnen“.

West-Eastern Divan-Orchestra

Das West-Eastern Divan-Orchestra ist ein in Sevilla angesiedeltes Orchester aus arabischen und jüdischen Musikern aus verschiedenen Staaten des Nahen Ostens. Daniel Barenboim und der inzwischen verstorbene Literaturwissenschaftler Edward Said gründeten das Orchester 1999 und benannten es nach einer Gedichtanthologie von Johann Wolfgang von Goethe.

Das Ziel des West-Eastern Divan-Orchestra ist es, das Verständnis von Israelis und Palästinensern zu fördern. Die Musiker möchten den Weg hin zu einer friedlichen und gerechten Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ebnen. Einer der jungen Künstler beschrieb das außergewöhnliche Orchester mit den Worten: „Barenboim sagt immer, dass dieses Projekt nicht politisch ist. Aber dieses Orchester ist ein politisches Statement beider Seiten und das ist großartig. Das Orchester ist ein menschliches Laboratorium, das der ganzen Welt zeigen kann, wie man miteinander auskommen kann.“

Im August 1999 fand das erste Arbeitstreffen der Musiker in Weimar statt. 2000 trafen sich die Musiker wiederum in Weimar, 2001 in Chicago und seit 2002 in Sevilla in der spanischen autonomen Region Andalusien. In dessen Provinz Granada lebten vor Jahrhunderten Juden, Muslime und Christen friedlich und sich gegenseitig bereichernd zusammen. Die Sommertourneen führen das Orchester regelmäßig über mehrere Kontinente. Im August 2005 fand ein vielbeachtetes Konzert in Ramallah statt, das in vielen Ländern live im Fernsehen übertragen wurde.

2008 Kofi Annan & „Libanon Projekt“ der Gemeinschaft junger Malteser

Kofi Annan

Der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan wird laut Jury und Kuratorium der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe mit dem Friedenspreis ausgezeichnet, weil er trotz vieler politischer Enttäuschungen und persönlicher Verunglimpfungen im Amt stets seiner Vision von einer friedlicheren Welt treu geblieben ist. Unter Annans Generalsekretariat sei der Weltklimabericht erarbeitet worden, der inzwischen eine Wende im Problembewusstsein der Welt bewirkt habe. Annans hohes moralisches Ansehen zeige sich gegenwärtig auch darin, dass er in der blutigen Auseinandersetzung in Kenia von den Parteien als glaubwürdige Vermittlungsinstanz anerkannt werde, so die Begründung der Jury.

Der Friedensnobelpreisträger hat immer wieder mit zwingenden Argumenten auf den Zusammenhang zwischen Freiheit, sozialem Fortschritt, Gleichberechtigung und Achtung der Menschenwürde hingewiesen und sich mit aller Kraft für Frieden und Gewaltfreiheit eingesetzt.

Der Ghanaer Annan wurde am 8. April 1938 als drittes von fünf Kindern einer Kaufmannsfamilie geboren. 1959 verließ der hoch begabte Schüler sein westafrikanisches Heimatland und absolvierte ein Wirtschaftsstudium in den USA. Er ist in zweiter Ehe mit der schwedischen Anwältin Nane verheiratet, einer Nichte des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der zu den Vorbildern Annans gehört. Im Jahre 2001 wurde Annan mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Kofi Annan hat sein gesamtes berufliches Leben bei den Vereinten Nationen verbracht. Doch aus dem sanften Mann aus Ghana wurde kein Bürokrat, sondern ein Visionär mit moralischem Gewicht, der die Uno auf die politische Weltbühne zurückführte. Als Kofi Annan 1996 in das höchste Amt der Vereinten Nationen gewählt wurde, übernahm er eine Organisation in desaströsem Zustand: Die Uno war fast bankrott, das Verhältnis zu den USA zerrüttet, Friedensmissionen in aller Welt wurden zum Fiasko. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden 1994 innerhalb weniger Wochen in Ruanda grausam umgebracht, während die Welt „neutral“ zusah.

Annan war damals als stellvertretender Uno-Generalsekretär für Friedenseinsätze verantwortlich und wusste, dass die Hutu-Regierung Massenmorde an der Tutsi-Minderheit plante. Doch es gelang ihm nicht, dem Weltsicherheitsrat das Mandat zum Eingreifen abzuringen. Für ihn sei es die schwerste persönliche Niederlage seines Lebens gewesen, sagte Annan später. Für die Uno war es ein Desaster.

Der Ruf der Weltorganisation war bei Annans Amtsantritt im Dezember 1996 ruiniert, auf der Bühne der Weltpolitik spielte sie praktisch keine Rolle mehr. Doch Annan schaffte es in den folgenden Jahren, das Budget der Organisation zu stabilisieren, den Streit mit dem amerikanischen Kongress beizulegen und die Uno wieder zu einem Faktor in der internationalen Politik zu machen

„Libanon Projekt“ der Gemeinschaft junger Malteser

Ein Entkommen aus dem von Kriegswirren und Mangel geprägten Alltag – das ermöglichen die Jungen Malteser seit 1998 behinderten Menschen im Libanon. Jeden Sommer fahren sie mit rund 150 Gästen aller Altersgruppen in das einzige behindertengerechte Ferienhaus des Landes. Dort erfahren die Behinderten eine Aufmerksamkeit, die viele von ihnen bis dahin noch nie erlebt haben. Denn ihr Leben ist gekennzeichnet von Heimen, in denen sie zwar die notwendige Ernährung, Pflege und Unterkunft bekommen, aufgrund von Personalmangel jedoch kaum therapiert werden. Hospitalismus, Aggression und selbstverletzendes Verhalten sind die Folgen.

Ganz anders ist der Alltag im Feriencamp: Jedem Gast wird ein Volontär zur Seite gestellt, der nur für ihn da ist. Der seinen Tag mit ihm teilt, ihn ernst nimmt und ihm seine Freundschaft anbietet. Die Volontäre gestalten die freie Zeit allein nach den individuellen Vorlieben und Fähigkeiten der Gäste. Ihre Motivation ist unterschiedlich: Sie wollen den Armen der Welt ohne Umwege helfen, die praktische Seite des Glaubens erleben und den Nahen Osten näher kennen lernen.

Viele dieser Wünsche erfüllen sich. Doch das Camp leistet noch mehr: Behinderte Kinder kommen erstmals seit Monaten wieder zur Ruhe und zeigen ihr Glück. Die professionellen Helfer und Volontäre bekommen das Gefühl, gebraucht zu werden. Viele Libanesen erleben hier zum ersten Mal ein freundschaftliches Miteinander zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten und gewinnen dabei einen neuen Blick auf Behinderung und Gebrechen. Zuletzt setzt die Präsenz der Malteser im Nahen Osten ein Zeichen, das weit über die Lage der Behinderten hinausweist: Der Libanon liegt im Herzen einer Region, die durch Unsicherheit und Krieg geprägt ist. Doch in den Malteser-Camps erleben junge Libanesen, dass Veränderung machbar ist – auch unter widrigen Umständen

2006 Valéry Giscard d’Estaing & Jugendliche Bodelschwinghsche Anstalten

Valéry Giscard d’Estaing

Mit dem Preis des Westfälischen Friedens 2006 wird der frühere französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing nicht nur als überzeugter und überzeugender Baumeister Europas gewürdigt, sondern vor allem für seine Arbeit als Vorsitzender des Verfassungskonvents der Europäischen Union. In zähen Verhandlungen gelang es ihm, den Entwurf eines Verfassungsvertrags für das vereinte Europa zu erarbeiten.

Die internationale Jury des Friedenspreises votiert für den Preisträger nicht obwohl, sondern gerade weil der Verfassungsentwurf aus überwiegend innen- und parteipolitischen Gründen bei den Referenden in Frankreich und Holland scheiterte. „Der Vertrag ist alles andere als untauglich; ein verfassungsrechtlich verklammertes Europa wäre ein zusätzlicher Garant für den inneren und äußeren Frieden eines zwischen Staatenbund und Bundesstaat staatsrechtlich angesiedelten Gebildes europäischer Staaten“, heißt es in der Begründung der Jury.

Jugendliche in den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel

Der Jugendpreis des Jahres 2006 geht an die Jugendlichen in den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, die dort während eines Sozialen Jahres ihre aufopferungsvolle Arbeit an alten, kranken und behinderten Menschen leisten. Sie werden auch stellvertretend für zahlreiche andere junge Menschen ausgezeichnet, die an sozial brisanten Orten freiwillig helfen.

In Bethel bringen inzwischen jährlich mehr als 150 Jugendliche ihre Hilfsbereitschaft in die größte diakonische Einrichtung der Welt ein. Sie praktizieren dort Humanismus und Nächstenliebe und festigen die eigene soziale Kompetenz, heißt es in der Begründung der Jury. Gerade im Jahr 2006, in dem vielerorts des 175. Geburtstags Friedrich von Bodelschwinghs gedacht wird, erscheint die in Bethel geleistete Arbeit besonders auszeichnungswürdig.

2004 Kurt Masur & Sternsinger

Kurt Masur

Zivilcourage – dafür erhält der Dirigent Kurt Masur den Preis des Westfälischen Friedens 2004. Wie wichtig diese Tugend ist, formulierte Willy Brandt in seinen „Erinnerungen“: „Wo die Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit nicht weit.“ Kurt Masur ist es gelungen, dieses Zitat in besonderer Weise zu bestätigen: Er gehörte zu den sechs prominenten Leipzigern, die im Herbst 1989 durch ihren persönlichen Einsatz eine Eskalation der Montagsdemonstration verhinderte. Die Jury betont die Schlüsselrolle Kurt Masurs bei den Ereignissen: „Er beschwor den friedlichen Dialog und nahm dem Regime den Vorwand zum bereits vorbereiteten militärischen Eingreifen. So wurde er zum Retter Leipzigs und zu einem der Väter der ersten Revolution auf deutschem Boden, die keinen Tropfen Blut vergoss.“ Masur ist eigentlich ein „Politiker wider Willen“, denn er hatte sich schon früh der Musik verschrieben. Am 18. Juli 1927 kam er im schlesischen Brieg zur Welt, mit 15 Jahren besuchte er die Landesmusikschule in Breslau. Nach dem Krieg studierte er in Leipzig Klavier, Komposition und Dirigieren. Nach mehreren Anstellungen als Kapellmeister wurde Masur Generalmusikdirektor am Mecklenburgischen Staatstheater. 1960 verpflichtete ihn der Intendant der komischen Oper, Walter Felsenstein, als Chefdirigent, später wechselte er zur Dresdner Philharmonie. Die bedeutendste Schaffensphase begann schließlich 1970, als Masur Gewandhauskapellmeister in Leipzig wurde. Aus dieser Stellung heraus bewies er Zivilcourage und zeigte persönliches Engagement. „Er nutzte seine Reputation und verschaffte dem stimmlosen Ton des Herzens Gehör“, so die Jury.

Sternsinger

Der Jugendpreis 2004 geht an die Sternsinger. Jedes Jahr ziehen nach Weihnachten rund 500.000 Kinder und Jugendliche von Haus zu Haus, um für Bedürftige in der ganzen Welt zu sammeln. Dabei kommen innerhalb weniger Tage Millionenbeträge zusammen, so dass die Trägerorganisationen - das Kindermissionswerk und der Bund der Deutschen katholischen Jugend (BDKJ) - im Jahr 2003 rund 32 Millionen Euro für wohltätige Zwecke zur Verfügung hatten. In der Begründung der Jury heißt es: „Unsere Welt wäre noch ein starkes Stück dunkler, wenn es die mit leuchtenden Kinderaugen für eine friedvollere Welt gesammelten Hilfen der Sternsinger nicht gäbe.“

2002 Carla Del Ponte & Schüler Helfen Leben

Carla Del Ponte

Die Preisträgerin des Preises des Westfälischen Friedens 2002, Carla Del Ponte, wurde am 9. Februar 1947 in Lugano geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften in Großbritannien und der Schweiz, errichtete 1975 ein Anwalts- und Notariatsbüro, ehe sie 1981 zur Luganer Anklagebehörde wechselte. 1985 wurde Frau Del Ponte Staatsanwältin. Über die Grenzen ihres Heimatkantons wurde sie bekannt, als sie engagiert gegen Wirtschaftskriminalität, Drogen- und Waffenhandel zu Felde zog; so gelang ihr die Zerschlagung eines Geldwäscherrings der sizilianischen Mafia.

Die Schweizer Regierung berief Carla Del Ponte 1993 zur Bundesanwältin und damit zur obersten Strafverfolgerin des Landes. Im August 1999 wurde sie auf Vorschlag von Kofi Annan vom UN-Weltsicherheitsrat zur neuen Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals für das frühere Jugoslawien in Den Haag ernannt. Besonderes Aufsehen erregt Carla Del Ponte durch die Anklage gegen den früheren serbischen Präsidenten Milosevic.

Erstmals in der Geschichte der Neuzeit ist mit der großen Mehrheit souveräner Staaten ein derartiges Kriegsverbrechertribunal und das davon unabhängige Chefanklägeramt installiert worden, weil Friedenssicherung nur auf der Grundlage von Wahrheit und Gerechtigkeit möglich ist und Täter unter dem Schutz nationaler Souveränität nicht straflos bleiben dürfen. Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht sollen damit nicht folgenlos bleiben, sondern geahndet werden. Strafrechtliche Schuld wird auf konkrete Personen bezogen, die These der Kollektivschuld widerlegt.

Die jetzige Amtsinhaberin Carla Del Ponte wird nicht nur als Institution und Symbol gegen menschenverachtende und kriminelle staatliche Willkür, sondern insbesondere auch als integere und mutige Persönlichkeit geehrt. Frau Del Pontes Tätigkeit gegen alle internen und externen Widerstände als Vorsitzende des unabhängigen Anklageorgans des UN-Kriegsverbrechertribunals ist ein „Geschenk der Friedenshoffnung für künftige Generationen“. Auch wenn Begriffe wie „Chefanklägerin“ und „Vorsitzende der Anklage“ einerseits und „Friedenspreisträgerin“ anderseits auf den ersten Blick nicht unbedingt in Einklang zu bringen sind, ist bei der Nominierung besonders berücksichtigt worden, dass Carla Del Ponte sich erklärtermaßen auch als „Stimme der Opfer“ begreift

Schüler Helfen Leben

Jugendpreisträger des Preises des Westfälischen Friedens 2002 ist die Organisation „Schüler Helfen Leben“, die seit 1992 mit Jugendprojekten auf dem Balkan zu Frieden und Versöhnung beitragen. Die Initiative begann in Bad Kreuznach und wurde über Rheinland-Pfalz, dann verstärkt in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen und in Hamburg fortgesetzt.

Erste Bewährungsprobe bei der Hilfsarbeit war die Unterstützung von Schülern in den Flüchtlingslagern in Kroatien. Die deutschen Jugendlichen haben Lehr- und Lernmittel durch eigene Sammlungen und den Verzicht aufs eigene Taschengeld aufgebracht. In Sarajewo und Mostar haben sie unter Kriegsbedingungen Schulen und Kindergärten wieder aufgebaut oder repariert. In Sarajewo haben sie ein eigenes Jugendbegegnungszentrum errichtet, das zum Treffpunkt junger Bosnier, Kroaten und Serben geworden ist. „Schüler Helfen Leben“ hat dafür allein in Schleswig-Holstein an einem Tag mit 35.000 Schülern 767.000 Euro gesammelt.

Im Sommer 2000 haben 100.000 deutsche Schüler aus Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Hamburg durch freiwilligen Arbeitseinsatz gemeinsam mehr als 2,15 Millionen Euro für die Friedensarbeit auf dem Balkan zusammengetragen. Auch in diesem Jahr wird die Aktion am 18. Juni unter dem Motto "Arbeiten statt Unterricht" stattfinden.

2000 Helmut Kohl & Ekola-Gymnasium und Conrad von Soest Gymnasium

Helmut Kohl

Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl wurde in Münster mit dem Preis des Westfälischen Friedens des Jahres 2000 ausgezeichnet. Der Preisträger nahm die Auszeichnung im Rathaus der Stadt Münster aus der Hand von Dr. Horst Annecke, dem Vorsitzenden der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V. (WWL), entgegen.

Die Entscheidung für Helmut Kohl als Träger des Preises des Westfälischen Friedens honoriert die Verdienste des früheren Bundeskanzlers bei der deutschen Wiedervereinigung und der Überwindung der Spaltung Europas. Deutschlands Stellung in Europa und der Welt wird gefestigt und steht für eine friedliche Vereinigung der europäischen Staaten als gleichberechtigte Mitglieder der europäischen Staatengemeinschaft.

Ekola-Gymnasium und Conrad von Soest Gymnasium

In der Abteilung Jugendpreis sind im Jahr 2000 zwei Gymnasien aus Breslau und Soest/Westfalen, das polnische Ekola-Gymnasium und das Conrad von Soest Gymnasium, gemeinsam ausgezeichnet worden. Die Ekola-Schule der Breslauer Bildungsgesellschaft (Zespol Szkol Spolecznych nr 1 we Wroclasju), die 1990 gegründet wurde, erfüllt ihre Aufgabe im Einklang mit den fundamentalen Werten wie Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Toleranz, Wahrheit, Erhaltung des Friedens, Europäische Verständigung, Umweltschutz. Die internationale Zusammenarbeit im ökologischen Bereich begann mit der Teilnahme an dem interdisziplinären Naturschutzprogramm „Science Across Europe“.

Seit 1992 förderte die Schule den Verständigungsprozess mit deutschen Schulen, in dem ihre Schüler an Wettbewerben teilnahmen (z.B. zum Thema „Nachbar in Europa“) bzw. durch die Durchführung vergleichbarer Wettbewerbe für Schüler der eigenen Woiwodschaft (Verwaltungsbezirk), z.B. „Deutschland entdecken“ (1997) für polnische Schüler und „Polen entdecken“ (1998 und 1999) mit Teilnahme deutscher und tschechischer Schüler.

Das Conrad von Soest Gymnasium hat im Laufe der Jahre verschiedene grenzübergreifende Projekte und Vorhaben initiiert und nach dem Prinzip „Miteinander lernen – gemeinsam handeln – Freundschaft schließen und zusammenwachsen“ durchgeführt. An diesen Projekten nahmen Jugendliche aus Polen, Schweden, Ungarn und den Niederlanden teil. Dieses entstandene Netzwerk von Partnerschaften kooperierte bei der Durchführung des Ökologieprojektes „Umwelt kennt keine Grenzen“, in dem sich die gemeinsame Sorge um den Naturschutz abspiegelt, gleichzeitig aber Voraussetzungen für Geschichtsprojekte schaffte.

1998 Vaclav Havel & Gesto por la Paz

Vaclav Havel

Der tschechische Präsident Vaclav Havel wurde 1998 als erster Preisträger mit dem Preis des Westfälischen Friedens ausgezeichnet, weil er sich über die Grenzen seines eigenen Landes hinaus als Leitfigur der Verständigung zwischen den Völkern und ihren Bürgern in Europa profiliert hat. Mit diesem Engagement setzte er sich über historische und verständliche Widerstände im eigenen Land hinweg und erreichte ermutigende Ansätze in den deutsch-tschechischen Grenzregionen.

Gesto por la Paz

Bei der Vergabe des Jugendpreises fiel die Wahl der Jury auf „Gesto por la Paz“ (Geste für den Frieden), einen Zusammenschluss verschiedener Friedensorganisationen im Baskenland. „Gesto por la Paz“ hat durch Schweigemärsche und große Demonstrationen gegen die insbesondere durch die ETA ausgeübte Gewalt im Baskenland Bekanntheit erlangt. Eine Ausdrucksform des Protestes ist ein offen getragenes blaues Band, das die Solidarität mit Entführten und deren Angehörigen symbolisiert. Sowohl die Teilnahme an den Demonstrationen als auch das Tragen des blauen Bandes erfordert ein erhebliches Maß an Zivilcourage.

Die Arbeit von „Gesto por la Paz“ hat zwar die Gewaltakte baskischer Extremisten bisher nicht verhindern können, doch sie haben erreicht, dass der Protest in der baskischen Bevölkerung gegen die Gewaltakte während der letzten Jahre deutlich gewachsen ist. Die Organisation ist stark von jungen Menschen geprägt. Im Jahr 1998 betrug das Durchschnittsalter der aktiven Mitglieder 26 Jahre, knapp die Hälfte der zwölf Vorstandsmitglieder waren zu diesem Zeitpunkt jünger als 25 Jahre.